Bei einem kürzlich stattgefundenen historischen Rundgang in der früheren Landesheil- und Pflegeanstalt Weilmünster kamen rund 90 Interessierte zusammen. Organisiert wurde die Veranstaltung von „Weilburg erinnert“ in Kooperation mit Vitos Weil-Lahn. Historikerin Anja Horstmann und Vereinsvorsitzender Markus Huth führten die Interessierten über das Klinikgelände.
Rückblick auf die NS-Zeit und die Verbrechen an Menschen mit Behinderungen
Markus Huth, Vorsitzender von „Weilburg erinnert“, machte auf die oft vergessenen Krankenmorde während der NS-Zeit aufmerksam. Die Veranstaltung fand auf dem Gelände der heutigen Vitos Klinik statt, wo sich die Teilnehmenden am ehemaligen Verwaltungsgebäude trafen. Huth bedankte sich bei Vitos Weil-Lahn für die konstruktive Zusammenarbeit. Von Vitos nahm Eva Jung, Leiterin der Unternehmenskommunikation, an dem Rundgang teil.
Verwaltung und die Verbrechen
„Die Verwaltung spielte eine zentrale Rolle bei den Morden“, betonte Markus Huth. Sie war verantwortlich für die Patientenaufnahme, die Anweisungen und die Lagerung der Akten. Viele dieser Dokumente wurden jedoch Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre vernichtet, ohne dass der Grund dafür bekannt ist. Es wurde auch nie ein Gerichtsprozess zu den Krankenmorden in Weilmünster geführt.
Zehn historische Orte auf dem Klinikgelände
Horstmann und Huth führten die Teilnehmenden zu zehn historischen Orten auf dem Klinikgelände und erläuterten dabei die Verbrechen der Nazis an Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen. Das prächtige Verwaltungsgebäude, 1897 als Direktionsgebäude der „Provinzial-Irrenanstalt“ eröffnet, waren der Startpunkt für den 90-minütigen Rundgang.
Die Vorbereitung und Durchführung der Morde
Die Morde an Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen wurden auf regionaler Ebene in den Verwaltungen vorbereitet, erklärte Huth. Der Bezirksverband Nassau, Träger der Einrichtung, strebte an, seine Anstaltspolitik der 1930er-Jahre zum Modell für das ganze Deutsche Reich zu machen. Sowohl der Bezirksverband als auch die Kommunen als Hauptkostenträger profitierten von den Morden und schwiegen dazu.
Wiedereröffnung und Leitung der Anstalt
Mit der Wiedereröffnung als Landesheil- und Pflegeanstalt im Jahr 1933 wurde Dr. Ernst Schneider leitender Arzt. Schneider, der zuvor stellvertretender Leiter der Landesheilanstalt Herborn war, leitete die Anstalt bis zu seiner Entlassung durch die amerikanischen Besatzungsbehörden im Sommer 1945. Trotz seiner Hauptverantwortlichkeit für die Morde in Weilmünster wurde er nie gerichtlich belangt.
Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
Nach der Machtübernahme durch die NSDAP im Januar 1933 und der Einführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses im Juli 1933, wurden rund 500.000 Menschen zwangssterilisiert. Hauptsächlich „Schwachsinn“ wurde als Grund angegeben, aber auch andere Krankheiten und Behinderungen. 5.000 bis 6.000 Frauen sowie 600 Männer starben während der medizinischen Prozeduren.
Zwangssterilisationen in Weilmünster
In Weilmünster wurden ab 1934 insgesamt 278 Patienten und Patientinnen gegen ihren Willen sterilisiert. Die Eingriffe fanden in den städtischen Krankenhäusern Weilburg oder Herborn statt.
Aktion „T4“ und ihre Folgen
Im Sommer 1939 begannen in Berlin die Vorbereitungen zur Aktion „T4“, bei der unheilbar Kranke in speziellen Tötungsstationen getötet werden sollten. Die Anstalt Weilmünster wurde zur größten „Zwischenanstalt“ für die Tötungsanstalt Hadamar. Viele Patienten wurden von hier aus in die Gaskammern von Hadamar gebracht. Die überbelegte Anstalt Weilmünster verzeichnete eine der höchsten Sterberaten im Deutschen Reich, verursacht durch Hunger, medikamentöse Ruhigstellung oder gezielte Tötungen.
Der Rundgang diente nicht nur der Erinnerung, sondern auch der Aufklärung über die düsteren Kapitel der Vergangenheit und die schrecklichen Verbrechen, die an diesem Ort begangen wurden.