Weilburg erinnert e. V.

Meine Nachmittage mit Eva – Lesung mit Bärbel Schäfer

Die Aula des Weilburger Spielmann-Kulturzentrums in der Frankfurter Straße 42 war am Abend des 10. Dezembers voller Menschen. Die bekannte Moderatorin und Autorin Bärbel Schäfer war zu Gast um ihr lesenswertes Buch „Meine Nachmittage mit Eva“ vorzustellen. Geladen hatte der Verein Weilburg erinnert gemeinsam mit der Residenzbuchhandlung.

Von links: Autorin und Moderatorin Bärbel Schäfer, Markus Huth (Vereinsvorsitzender Weilburg erinnert e. V.) und Joachim Kinedt (Inhaber der Residenz-Buchhandlung Weilburg) – Foto: Peryton Film Gießen

Berührend, aber auch mahnend, auf jeden Fall bewegend berichtet sie dem Publikum von ihrer Freundschaft zu Eva Szepesi, einer der letzten KZ-Überlebende, und auch von ihrem eigenen Leben. Jeden Mittwochnachmittag treffen sich die beiden Frauen regelmäßig und „schenken sich Zeit zum Reden.“ Eva öffnet sich nach 50 Jahren des Schweigens über das Erlebte. Nicht einmal ihrem Ehemann erzählte sie von ihren Erlebnissen, wie sie als 11jähriges, behütetes, geliebtes Mädchen brutal in das Konzentrationslager Ausschwitz-Birkenau deportiert und dort Unsägliches erleiden musste. Die ersten Jahre ihrer Kindheit schildert sie so plastisch, dass man förmlich mit ihr unter dem Pfirsichbaum des elterlichen Gartens in einem Vorort von Budapest sitzt und ihr zuschaut, wie ihr, Puppe Erika im Arm, ihre Mutter Valentina liebevoll ihre langen schwarzen Haare kämmt. Als dann, das Grauen der Nazi-Herrschaft 1944 auch über Ungarn hereinbricht, entscheidet die Mutter, dass Eva mit einer Tante in die Slowakei flüchten soll. Eine letzte Umarmung, ein letzter Kuss, ihre Mutter nimmt ihr noch den Judenstern an ihrer Jacke ab, sie wird ihre Eltern und ihren kleinen Bruder Tomasch nie wiedersehen. Entdeckt und ins Lager gebracht überlebt sie dort allein die Hölle. Voller Menschlichkeit und Wärme erzählt Schäfer von den Erlebnissen die Eva immer wieder an diese schlimme Zeit erinnern. Da ist zum Einen die immer noch sichtbare, etwas „verwaschene“ Nummer am Unterarm „Ich sehe ihre Nummer und möchte weinen“. Oder auch Begegnungen mit Hunden, um die sie bis heute einen großen Bogen macht. Selbst der gutmütige Familienhund Bärbel Schäfers, Snoopy, oder der Nachbarhund jagen Eva panische Angst ein. Sie erinnert sich in solchen Momenten an die Hunde der SS, die sie als abgerichtete „Tötungsmaschinen“ erlebt hat. „An einem kalten Winternachmittag, ich fror sehr, kam ich zu Eva in die warme Stube und beklagte mich, da sah sie mich an und meinte: Das ist doch keine Kälte! Ich habe im KZ die Kälte erlebt. Unsre Finger froren ab, als wir in dünner grobleinener Häftlingskleidung im Winter schutzlos zum Appell antreten mussten.“ Und zum Appell mussten wir jeden Tag erscheinen, sonst bedeutete das den sicheren Tod.“ Am 27.Januar 1945 endlich wurde Eva von einem russischen Soldaten „zurück ins Leben“ getragen. Später zieht sie mit ihrem Mann nach Frankfurt.

Doch auch Schäfer berichtet von ihrer Familie, aufgewachsen in Bremen setzt sie sich schon früh mit der deutschen Vergangenheit auseinander. „Schon als Jugendliche begann ich mich für die Rolle meiner eigenen Familie unter dem Nazi-Regime zu interessieren. Doch leider gab es kaum Antworten, vieles wurde im Familiengedächtnis verdrängt, unter den Schweigeteppich der Vergangenheit gekehrt. Ich habe mich entschlossen unter diesen Teppich zu schauen. Eine besondere Begebenheit war die, als meine Oma auf einer Rolltreppe im Kaufhaus plötzlich ohnmächtig stürzte und nach ihrem Aufwachen plötzlich dachte es wäre noch Kriegszeit. Dies war das erste Mal, dass Oma vom Krieg erzählte, ich war damals 14 Jahre alt.“ Kurze Zeit später räumte sie gemeinsam die Wohnung der Oma und dort entdeckte sie das Mutterkreuz, eine Auszeichnung des 3. Reiches. Auf die Fragen: Oma wart ihr Nazis? Warum wirfst du das nicht in den Müll? Gab es als Antwort „Das haben viele bekommen, wir waren halt so!“ „Wer warst du denn im Krieg?“ Da gab ihr ihre geliebte Oma eine Ohrfeige und Bärbel “entliebte“ sich von ihr. So viele Fragen, so wenig Antworten. „Ich bin nicht mundtot zu machen, wenn es um Demokratie geht!“, so Schäfer. Dann spannt sie den Bogen zur Gegenwart: „Es ist so wichtig unseren Kindern die richtigen Werte mit auf den Weg zu geben. Hoffnung, Toleranz, Respekt, Wärme, Menschlichkeit und Liebe“, sagt sie als Mutter zweier Söhne. „Heute sind die Neonazis oft keine „Glatzen“ mehr, die durch ihr Aussehen sofort ins Auge fallen. Es sind vielmehr Menschen, die diese Gesinnung oft subtil und unterschwellig oder in Form von Hassreden verbreiten“. Auch Eva Szepesi sprach des Öfteren vor Schulklassen von ihren Erlebnissen, um vor der heutigen Gefahr durch rechtsextremes Gedankengut und Antisemitismus zu warnen.

Das Publikum verfolgte die Lesung sehr aufmerksam und konzentriert und gab herzlichen Applaus für die gelungene Veranstaltung, die auch zum Nachdenken anregte.

Es gab im Anschluss noch die Möglichkeit ein von Schäfer signiertes Exemplar zu erwerben und auch für Gespräche und Fragen stand die Autorin noch zur Verfügung.

Gefördert wurde die Veranstaltung durch die Partnerschaft für Demokratie Oberlahn im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ durch das BMFSFJ. Veranstaltet wurde die Lesung in gemeinsamer Kooperation zwischen der Residenz-Buchhandlung Weilburg und dem Verein „Weilburg erinnert“.

Text: A. Borrello – Pressesprecherin Weilburg erinnert e. V.