Weilburg erinnert e. V.

„Weilburg erinnert“: Wie bekämpft man Rechtsextremismus?

Von links: Uta Gerlant (Historikerin), Brigitte Williams (Witwe des durch einen Rechtsterorristen ermordeten William Thomas Schenk), Markus Huth (Weilburg erinnert), Birgit Mair (Rechtsextremismusexpertin), Martin Rößler (Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innernen, für Sicherheit und Heimatschutz) Christina Schiebel, Martina Zimmermann und Nadine Peter (alle Weilburg erinnert) und Klaus Pradella (Moderation) – Foto: Robin Jäger

Kritik an unangemessener Sprache und ein Appell, gerade die Schüler vor rechtsextremen Parolen im Internet zu warnen: Facettenreiche Podiumsdiskussion im Weilburger Komödienbau.

Weilburg. Die Gefahren von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus wurden mit dem Ende der Hitler-Diktatur 1945 keineswegs gebannt. Diese Ideologien stellen auch heute noch eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie dar. Zum Thema „Rechtsextremismus damals und heute – global und lokal“ hatte der Verein „Weilburg erinnert“ zu einer Podiumsdiskussion in den Komödienbau eingeladen.

Auf dem Podium saßen Birgit Mair, Referentin und Rechtsextremismusexpertin, Brigitte Williams, Witwe des beim Oxner-Attentat ermordeten William Thomas Schenk, Uta Gerlant, freie Historikerin und ehemalige Leiterin der Gedenkstätte „Lindenstraße“ Potsdam, und Martin Rößler (CDU), Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern für Sicherheit und Heimatschutz. Moderator war der Journalist Klaus Pradella.

Pradella fragte Rößler, wie sich die neue Landesregierung nach der Neubildung auf den erstarkenden Rechtsextremismus einstellen werde. Rößler sagte: „Wir arbeiten an einer demokratischen und offenen Kultur.“ Auf Pradellas Frage, wie es mit der Würde von Opfern und Angehörigen beispielsweise nach dem Massaker von Hanau bestellt sei, kritisierte Gerlant die „häufig völlig unangemessene Sprache und Wortwahl von Behörden und Medien“.

So hätten Ermittler in Hanau gesagt: „Die Döner sind ermordet worden.“ „Damit werden Opfer zum zweiten Mal verunglimpft“, sagte Gerlant. Die Zeitung hätte von einem „Lokal mit zweifelhaftem Ruf“ geschrieben. Eine derartig rassistische Berichterstattung schade auch dem Vertrauen in die Behörden. Gerlant kritisierte weiter, dass die Öffentlichkeit keinen Zugriff auf Untersuchungsakten hatte, diese zum Teil gar vernichtet worden seien.

Pradella machte klar, dass rechtsextremistische Straftaten, auch in unserer Region zugenommen hätten, verwies aber auch auf Erfolge der Behörden, beispielsweise die Verhaftung der linksextremen RAF-Terroristin Daniela Klette.

„Wir müssen den Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen und so früh wie möglich eingreifen“, betonte Rößler und sagte: „Bildung ist wichtig. Wir müssen Kinder zu guten Demokraten erziehen.“ „Woher kommt es denn, dass Jugendliche so oft über die Stränge schlagen?“, fragte Pradella. Gerlant hierzu: „Rassismus ist ,Wir und die’. Kinder lernen von ihren Eltern. Es ist problematisch, denen da oben die Schuld zu geben. Schuld sind nicht immer die anderen. Es ist schlimm, wenn Erwachsene Verantwortung auf andere abschieben.“

„Ich bin sehr dankbar für den Gegenwind, den wir seit ein paar Wochen überall im Land auf den Straßen gegen Rechtsextremismus spüren“, sagte Mair. Vorher hätten Menschen oft versucht, sie in Veranstaltungen fertig zu machen, jetzt nicht mehr. Auch dass Schüler mit der AfD sympathisieren, habe sich seitdem geändert. Rößler sagte: „Wir müssen aufdecken, dass die AfD keine Lösungen hat.“

Auf die Frage, ob die AfD verboten werden sollte, verwies Rößler darauf, dass es zwei Verfahren gab mit dem Ziel, die NPD zu verbieten. Beide seien mit dem Argument gescheitert, die NPD sei zu unbedeutend. Mair sprach sich trotzdem für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. Eine Frau aus dem Publikum wies darauf hin, dass es beispielsweise in TikTok oder YouTube nur so von rechtsradikalen Parolen wimmele. „Wir müssen Schülern den sinnvollen Umgang mit sozialen Medien vermitteln“, sagte sie. Schulen müssten die Kompetenz vermitteln, Hassbotschaften zu erkennen. Mair bestätigte: „In TikTok erhält man schnell Werbung der AfD, das ist nicht kontrollierbar.“ Es gebe ein großes Netzwerk rechtsextremer Medien, sogenannte alternative Plattformen.

Markus Huth, Vorsitzender von „Weilburg erinnert“, wies darauf hin, dass sein Verein Workshops an Schulen zur Medienkompetenz und dem Erkennen von Hassbotschaften anbietet. „Defizite beginnen bereits in der Kita und der Schule“, führte ein Mann aus dem Publikum aus und ergänzte: „Wir brauchen Akzeptanz für Zuwanderung, brauchen eine tolerante Gesellschaft, in die sich Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, integrieren können.“

Abschließend fragte Pradella: „Waren die Demonstrationen jetzt Eintagsfliegen oder kommt da noch etwas?“ Gerlant meinte: „Wir müssen Demokratie überzeugend leben, kritisch und selbstkritisch für Demokratie streiten. Selbstgefälligkeit führt in eine Bequemlichkeitsfalle.“ Williams betonte, dass die Demonstrationen weitergehen müssten und auf keinen Fall einschlafen dürften. Keine einfachen Lösungen für die Zukunft sah Rößler. Mair sagte: „Wir müssen weiter demonstrieren, falschen Positionen widersprechen, Menschen darüber aufklären, was mehr Macht für die AfD bedeutet. Es darf keine Zusammenarbeit demokratischer Parteien mit der AfD geben.“ Pradella ermunterte, dass alle in ihrem persönlichen Umfeld Farbe bekennen sollten.

Zu Beginn des Abends hatte Mair in das Thema mit einem Rückblick auf das Attentat vor 42 Jahren auf William Thomas Schenk durch den Neonazi Helmut Oxner eingeführt. Williams schilderte die Hergänge, auch den enttäuschenden Umgang mit der Polizei und den Behörden.

Text zur Verfügung gestellt durch Andreas Müller (Autor).