Weilburg erinnert e. V.

Zeitzeugengespräch im Weilburger Gymnasium Philippinum

Am Montagvormittag des 22.01.24 war es den Schülern der 11. Jahrgangsstufe des Gymnasium Philippinum in Weilburg möglich ein Zeitzeugengespräch mit Mieczylaw Grochowski, genannt „Mietek“ zu erleben. Die Gruppe verfolgte aufmerksam den frei vorgetragenen Lebensbericht von Mietek, der in Danzig und Berlin zuhause ist und mit seiner Trompete im Gepäck noch einige Schulen besuchen wird.

Johannes Langner, Geschichtslehrer und Demokratiebildungsbeauftragter, Neithard Dahlen vom Auschwitz-Komitee und der Verein „Weilburg erinnert“ luden Mietek zu diesem ganz besonderen Austausch.

Dahlen begann nach der Begrüßung mit einer Rede, die den Schülerinnen und Schülern klar vor Augen führte, wie wichtig es besonders heute ist, aus der Vergangenheit zu lernen, die Anfänge zu erkennen und im Keim zu ersticken. „Aus Unwissenheit und mangelnder Selbstsicherheit entsteht Hass. Achten wir auf unsere Gedanken und Worte, denn die Worte und Parolen gehen den Taten voraus. Der Hass ist der Boden und die Worte und Bilder („Mems“) sind der Dünger für Verbrechen, die unsere Gleichgültigkeit zulässt. Viele Kinder starben in den Konzentrationslagern, die Überlebenden leiden noch heute an Ängsten, wie auch Mietek, sie erfuhren unsägliches Leid.“ Dahlen stellte u.a. das Buch „Vergiß deinen Namen nicht-die Kinder von Auschwitz“ von Alwin Meyer vor, dass in keiner Bibliothek fehlen sollte.

 „Wer einen Zeitzeugen gehört hat, wird selbst zum Zeitzeugen“ so Dahlen.

Nun berichtete Mietek, Jahrgang 1939 in Vorpommern als jüngstes von 8 Kindern. Da in seiner Heimat deutsch gesprochen wurde sollte das Land der Kaschuben „germanisiert“ werden. Dafür mussten sich die Menschen in sogenannte „Volkslisten“ eintragen, dies wiederum verweigerte der Großvater und auch der Vater, um ihre polnische Identität nicht zu verlieren. Daraufhin endete Mitte 1943 jäh das beschauliche Familienleben auf dem Hof. Der 4-Jährige Mietek erinnert sich an das Gebell der beiden Schäferhunde in den frühen Morgenstunden, an die SS-Männer, an die Tränen des Vaters, der sich noch bei seinen Tieren im Stall verabschiedete. Die gesamte Familie wurde mit einem Kutschenwagen ins KZ Stutthof abtransportiert. Dort erinnert er sich an die erste karge Mahlzeit, eine Kohlsuppe in der dicke Würmer schwammen. Der Vater überlebte die Strapazen und das Morden im KZ nicht, erst 50 Jahre später fand Mietek sein Grab. Bis Januar 1945 verblieb Mietek im Arbeitslager Potulitz mit Mutter und Schwester und erlebte dort verachtende Situationen mit Hunger, Krankheit, Tod und der täglichen Angst vor Bestrafung. Oft musste er mit anderen kleinen Kindern Blaubeeren im Wald sammeln, ohne sich auch nur eine in den Mund zu stecken, ansonsten drohten Prügel. Er litt sehr unter Nässe, Ungeziefer und Unterernährung. Auch bei der Tante, wo er die letzten 3 Monate vor Kriegsende verbrachte, wird er gehänselt und ausgegrenzt. Nach dem Krieg- endlich wieder mit der Mutter und Geschwistern vereint und frei, war das Leben im kommunistischen Polen weiterhin hart. Nach dem Tod des 18-jährigen Bruders ging er von zuhause fort und schloss eine Lehre zum Auto- Elektriker ab. Er fand Arbeit und erlernte das Trompete spielen- bis heute seine Leidenschaft.

Sein Instrument spielte er bis zur Pensionierung im Marineorchester und beim Zirkus. Heute genießt er das Leben mit Frau, Tochter und Enkel und es ist ihm wichtig vor allem jungen Menschen von seinen Erlebnissen zu erzählen und aufzuklären.

Die Trompete erklang auch an diesem Morgen im Klassenraum. Mietek trug drei Melodien vor. Zu Beginn erinnerte er mit „Aranjuez“ an die Tränen der Kinder in Potulitz, es erklang das „Auschwitzlied“ und zum Abschluss „Sound of Silence“. „Selten kommt es vor, das jemand in meinem Alter die Trompete noch halten und spielen kann“, so Mietek. Ja, er kam noch nicht mal außer Atem und erzählte weiter aus seinem bewegten Leben. „Meine Mutter prägte uns Kindern nach den schlimmen Erlebnissen ein, ohne Hass durchs Leben zu gehen und nach vorne zu schauen!“ Auch das Zitat eines Auschwitzgefangenen, eingeritzt in seiner Todeszelle vor der Exekution berührt: „Unsere Schatten rufen nicht nach Rache, sondern nach Erinnerung!“  Am Ende der „Reise“ in die Erinnerungen Mieteks war noch etwas Zeit für eine Fragerunde, an der sich die Jugendlichen beteiligten, erfasst und berührt vom Gehörten wirkt das Gespräch sicher noch in ihnen nach.

Finanziell gefördert wurde die Veranstaltung durch die DEXT-Fachstelle des Landkreises.

Text und Fotos: Angelina Borrello